1992 verabschiedete der Europarat die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Ihr Ziel ist es, diese Sprachen als Bestandteil des kulturellen Erbes Europas im öffentlichen Bewusstsein zu verankern, sie vor dem Aussterben zu schützen und ihren Gebrauch zu fördern. Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Stormarn: „In wohl keiner anderen Region Europas gibt es so viele traditionelle Sprachen wie in Schleswig-Holstein. Neben Hochdeutsch sind das Dänisch, Friesisch, Romanes und Niederdeutsch.“ In Stormarn spiele besonders das Niederdeutsche eine wichtige Rolle.
Mit verschiedenen Maßnahmen versucht das Land, die Ziele der Sprachencharta zu erreichen. Der Sonderausschuss, der derzeit eine neue Verfassung für das Land Schleswig-Holstein vorbereitet, empfahl beispielsweise das Ziel in die Verfassung aufzunehmen, den Niederdeutschunterricht in öffentlichen Schulen zu schützen und zu fördern. Das ist eine Formulierung, die sich die Niederdeutschen auch im Schulgesetz des Landes wünschen. In neuen Lehrkräftebildungsgesetz findet die „Bedeutung des Niederdeutschen für das Land Schleswig-Holstein“ bereits Berücksichtigung. Habersaat: „Ich kann mir vorstellen, dass nach Vorliegen einer neuen Verfassung auch die Formulierungen im Schulgesetz angepasst werden.“
In diesem Jahr gab es wichtige Fortschritte, die wesentlich praktischerer Natur waren als die Formulierung von Gesetzestexten. An 27 Grundschulen in Schleswig-Holstein wird im neuen Schuljahr ab August Plattdeutsch auf dem Stundenplan stehen, mit zwei Wochenstunden ab Klasse 1. Diese Schulen nehmen teil an einem freiwilligen Modellprojekt, das der Schleswig-Holsteinische Landtag, der Schleswig-Holsteinische Heimatbund und das Ministerium für Bildung und Wissenschaft gemeinsam initiiert haben. In Stormarn machen die Grundschule Mühlenredder in Reinbek, wo es schon seit Langem eine „Lernwerkstadt Plattdüütsch“ gab, und die Dörfergemeinschaftsschule am Struckteich in Zarpen mit. Insgesamt hatten sich 44 Grundschulen auf die Ausschreibung beworben.
Habersaat, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion und Vorsitzender des Arbeitskreises für Bildung, Wissenschaft und Kultur, ist sich durchaus darüber im Klaren, dass in Zeiten von Unterrichtsausfall und hoher Anforderungen durch Inklusion manche Probleme als drängender empfunden werden. Auch um die will er sich kümmern, ohne jedoch eine Herausforderung gegen die andere auszuspielen. „Mit Heinrich Thies von der Fehrs-Gilde, Wolfgang Pohlmann vom Glinder Theoter ut de Möhl und vielen anderen engagierten Stormarnerinnen und Stormarnern treffe ich mich regelmäßig und kann die Wünsche der Niederdeutschen nach Schutz und Pflege ihrer Muttersprache gut verstehen. Mit diesen Maßnahmen setzt das Land wie für Dänisch und Friesisch auch für Niederdeutsch die Verpflichtungen aus der Europäischen Sprachencharta um. Sprachliche Vielfalt ist eine Stärke Schleswig-Holsteins, und hier können wir sagen: Dat geiht vöran!“
Foto: Wolfgang Pohlmann, Martin Habersaat und Torsten Albig (2012)