„Pensionärinnen, Jusos, Makler, Mieter, Kommunalpolitikerinnen, Reihen- und Einzelhausbesitzer, Vermieter, Seniorenbeiräte“ – die Liste der potentiellen Blickwinkel auf das Thema des Abends, die der Moderator und örtliche Landtagsabgeordnete Martin Habersaat im Bürgerhaus ausmachte, war lang. Mit ihrer Veranstaltungsreihe „Chancen ergreifen – Zukunft gestalten“ war die Bundestagsabgeordnete Nina Scheer nach Glinde gekommen, um „Wohnen im Wandel“ zu diskutieren. Als Gäste hatte Scheer den Innenminister Schleswig-Holsteins, Stefan Studt, und den Parlamentarischen Staatssekretär aus dem Bundesumweltministerium, Florian Pronold, eingeladen – beide sind auch für den Wohnungsbau zuständig. „Wir müssen uns frühzeitig Gedanken machen, wenn wir langfristig wichtige Themen, gut lösen wollen“, sagte Scheer zur Eröffnung des Abends. Und die Herausforderungen seien vielfältig: „Jeder Mensch braucht ein bezahlbares Zuhause, es muss genügend altersgerechte Wohnungen geben, auch die Energiewende muss bei der Wohnungspolitik mit bedacht werden“, so Scheer.
Florian Pronold umriss die Schwierigkeiten, mit denen Politik in diesem wie in anderen Fällen umgehen muss. Prognosen seien nun einmal besonders schwierig, wenn sie sich auf die Zukunft bezögen, zitierte er seinen bayerischen Landsmann Karl Valentin. Gab es früher den Trend zum „Häuschen im Grünen“, steht diesem heute Zuzug in die Metropolregionen gegenüber. Ein Effekt, der sich weltweit ebenso beobachten lässt wie an den Immobilienpreisen im Süden Stormarns. Dazu komme in Deutschland die Schwierigkeit, dass sich in den letzten zwölf Jahren die Zahl der Wohnungen mit Sozialbindung halbiert habe. „Es reicht im Alter auch nicht, wenn die Wohnung bezahlbar und barrierefrei ist. Ich brauche auch Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten und ÖPNV-Angebote“, ergänzte er. Die Bundesregierung hat deshalb schon eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, seien es die Mietpreisbremse, das „Bestellerprinzip“ beim Makler („Wer bestellt, zahlt.“), Förderprojekte für den Wohnungsbau, Nachbarschaftsprojekte wie die „Soziale Stadt“ und die für 2016 beschlossene Erhöhung des Wohngelds. Weiteres folgt.
Diese Maßnahmen des Bundes können nur wirken, wenn die Länder sie aufgreifen, ergänzen und verstärken. Dass dem in Schleswig-Holstein so ist, konnte Innenminister Stefan Studt an einigen Beispielen verdeutlichen. Wo etwa die Mietpreisbremse des Bundes neue Mieter vor zu hohen Mieten schützt, hilft die Kappungsgrenzenverordnung des Landes bei bestehenden Mietverträgen. Es gibt auch in Schleswig-Holstein ein „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“, in den nächsten Jahren werden allein im Hamburger Rand Wohnungsbauprojekte mit über 100 Millionen Euro gefördert. Dass müsse auch sein, liege die Durschnittsmiete in Glinde (8 Euro) und Reinbek (bis 12 Euro) doch deutlich über dem Landesschnitt von 6,40 Euro pro Quadratmeter. Gefragt seien auch die Städte und Gemeinden, die mit Bebauungsplänen und Flächen helfen können. Eine Teilnehmerin aus Ahrensburg merkte an, viel zu oft würden Neubaugebiete allein für Einzelhäuser ausgewiesen. Das Problem: Wenn die Kinder aus dem Haus sind oder ein Partner verstorben ist, wollen die Menschen gerne in der vertrauten Umgebung bleiben. Das geht aber nur, wenn es dort unterschiedliche Wohnungsangebote gibt. Als „hinterste Mottenkiste“ bezeichnete der Innenminister die teilweise verbreitete Sorge, sozialer Wohnungsbau schade einer Stadt.
In der anschließenden Diskussion ging es um die Gestaltungsmöglichkeiten von Bund, Land und Kommunen, die immer auch an politischem Willen hängen. Die Verödung von Innenstädten war ebenso Thema wie öffentliche Förder- oder generationsübergreifende Wohnprojekte. Was regelt der Markt, was der Staat? Sollten kurzfristige Einnahmen das Hauptaugenmerk bei der Entwicklung von Bauland sein? Welche Ideen gibt es für die steigende Zahl Demenzkranker? „Nicht alle Fragen konnten abschließend beantwortet werden. Aber alle Fragen wurden aufgenommen. Ein Lob an Nina Scheer und die SPD, sich solchen Themen zu stellen“, erklärte ein 70 km für den Abend angereister Teilnehmer. Glindes SPD-Vorsitzender Frank Lauterbach rundete den Abend mit einem Dank an alle Gäste und Teilnehmer für die intensive Diskussion ab und stellte fest: „Es bleibt viel zu tun.“
Weiterführende Links:
Stadt und Wohnen beim Bundesumweltministerium
Städtebau, Bau- und Wohnungswesen beim Landesinnenministerium
Offensive für bezahlbares Wohnen