Martin Habersaat über Herausforderungen und Konzepte:
Der Einsatz digitaler Medien verändert das Privatleben, die Arbeitswelt und das Lernen. Dieser Umstand hat auch Auswirkungen auf die Schulen. Bildungsministerin Britta Ernst hat das „Lernen in einer digitalen Welt“ deshalb zu einem ihrer Arbeitsschwerpunkte gemacht. Der Landtag, der am Mittwoch um 10.00 Uhr immer nur die wichtigsten Themen aufruft, begann seine Tagung im März 2016 sogar mit einer Debatte zu diesem Thema. Grundlage war ein ausführlicher Bericht der Landesregierung. Die Medienbildung ist in Schleswig-Holstein strukturell als Aufgabe aller Fächer im allgemeinen Teil aller Fachanforderungen verankert. Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Abgeordneter aus Reinbek: „Manche Frage lässt sich heute noch nicht abschließend beantworten. Eine Antwort der Landesregierung zu einer technischen Frage hat mich aber besonders gefreut: Spätestens 2020 wird jede Schule in Schleswig-Holstein einen Glasfaseranschluss haben.“
Andere technische Fragen seien noch offen. Ist es besser, die Schulen umfangreich mit einer Technik auszustatten, die doch nach einigen Jahren wieder veraltet ist? Oder hilft BYOD (Bring your own device), sollten die Schülerinnen und Schüler also ihre eigenen Geräte mit in die Schule bringen? Könnten das alle? Wie kann eine Lehrkraft damit umgehen, dass die Schülerinnen und Schüler zuweilen mehr von der Technik verstehen als sie selbst? Wie kann verhindert werden, dass Lehrkräfte diesen Umstand als Begründung benutzen, sich nicht fortbilden zu wollen? Und schließlich: Was definiert guten Unterricht mit digitalen Medien? Es tut sich eine ganze Menge in Schleswig-Holstein. Eines, findet Martin Habersaat, der bis zu seinem Einzug in den Landtag selbst an einem Gymnasium in Hamburg Deutsch, Geschichte und PGW (Politik-Gesellschaft-Wirtschaft) unterrichtet hat, sollte man relativierend im Hinterkopf behalten: „Es gibt schlechten Unterricht mit vielen digitalen Medien, genauso wie es guten Unterricht ganz ohne digitale Medien gibt. „Studien zeigen, dass der Einsatz von Technik allein keine positiven Ergebnisse mit sich bringt. Kinder und Jugendliche werden nicht automatisch zu kompetenten Nutzern.“ Es brauche sinnvolle didaktische Konzepte.
Studien
Es gibt einige Studien zum Thema, beispielsweise wird seit 1998 der Stellenwert von Medien im Alltag von Jugendlichen untersucht (http://www.mpfs.de). Handy, Fernseher, Computer und Internetzugang sind in nahezu allen Haushalten vorhanden. Handy und Internet werden von heutigen Jugendlichen häufiger genutzt als der Fernseher. Die Studie ICILS kam 2013 zu dem Schluss, dass die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Jugendlichen in Deutschland europaweit im Mittelfeld liegen, die Kompetenzwerte der Mädchen sind in allen Ländern höher als die der Jungen. In allen Ländern finden sich Bildungsbenachteiligungen für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund oder einer ungünstigen sozioökonomischen Herkunft.
„Lernen mit digitalen Medien“ – 20 Musterschulen
Mit dem Projekt „Lernen mit digitalen Medien“ sollen besonders engagierte Schulen bei der Entwicklung und Umsetzung von lernförderlichen Unterrichtsmodellen unterstützt werden. Es werden 20 Modellschulen in der Umsetzung ihres Konzeptes zum Lernen mit digitalen Medien begleitet. Die Modellschulen geben ihr Wissen auf Netzwerktagungen an andere Schulen weiter und stehen auch als Hospitationsschulen zur Verfügung. Sie erhalten eine finanzielle Förderung zur schnellen Umsetzung ihrer Konzepte und werden von MedienentwicklungsberaterInnen unterstützt. Martin Habersaat: „An der Tatsache, dass sich landesweit 111 Schulen für dieses Projekt beworben haben, lässt sich ablesen, dass einiges in Bewegung ist. Wegen der großen Nachfrage wurde das Projekt von 12 auf 20 Schulen aufgestockt. Aus Stormarn sind die Emil-Nolde-Grundschule aus Bargteheide und das Gymnasium Stormarnschule aus Ahrensburg dabei. In der Emil-Nolde-Schule geht es vor allem um Informationsbeschaffung und -bewertung, es gibt eine Medienstunde, eine Fachschaft „Medien“ und einen schulinternen Stoffverteilungsplan. In den unterschiedlichen Stufen der Stormarnschule sollen die Schülerinnen und Schüler eine besondere von der Schule erstellte „Media Competence Licence“ (MCL) erhalten. Eine professionalisierte Infrastruktur mit WLAN wird den Einsatz mobiler Endgeräte (BYOD) ermöglichen. Aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg ist die Grundschule Müssen dabei, die in der Deutsch- und Mathewerkstatt digitale und traditionelle Medien und Materialien kombiniert.“ 2017 werden die Projektergebnisse aller Schulen auf einer Tagung präsentiert und in einem Bericht veröffentlicht.
Digitale Schulbücher
Allein der Cornelsen-Verlag bietet für Schleswig-Holstein 201 digitale Schulbücher an. Eine Schulbuchprüfung gibt es in Schleswig-Holstein nicht mehr, über den Einsatz eines Schulbuches entscheiden die Fachkonferenzen der einzelnen Schulen. Ob und wie die digitalen Bücher genutzt werden, liegt im Ermessen der Schulen. Im Rahmen des Projekts „Lernen mit digitalen Medien“ wird der Einsatz digitaler Bücher pilotiert und erprobt. Hier beteiligen sich 212 Lehrkräfte aus 40 Schulen, ihnen wird das Verlagsangebot von Buchner, Cornelsen, Klett, Mildenberger und der Westermann Gruppe bis zum Sommer 2017 kostenfrei zur Verfügung gestellt. Zurzeit wird geprüft, ob das Projekt um die Nutzung von Lernvideos und interaktivem Übungsmaterial erweitert werden kann.
Ausstattung
Im August 2015 wurde eine Überarbeitung der „Empfehlungen für die schulische IT-und Medienausstattung in Schleswig-Holstein“ veröffentlicht. Diese Empfehlungen sind im Auftrag des Ministeriums für Schule und Berufsbildung des Landes Schleswig-Holstein und der Kommunalen Landesverbände Schleswig-Holsteins vom Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) entwickelt worden. In der AG IT Bildung wurden die Inhalte mit Vertretern der kommunalen Landesverbände diskutiert und überarbeitet.
Lehrerbildung
Nach § 12 des in dieser Legislaturperiode verabschiedeten Lehrkräftebildungsgesetzes ist die Vermittlung von Medienkompetenz in sämtliche Lehramtsstudiengänge zu integrieren. Die Europa-Universität Flensburg beispielsweise bietet in dem für alle Lehramtsstudierenden gemeinsamen Bachelorstudiengang „Bildungswissenschaften“ ein Pflichtmodul „Medien und Bildung“ an. Im Rahmen des Referendariats ist der Einsatz moderner IT-Medien in den Curricula aller Fächer und Fachrichtungen sowie in Pädagogik verankert. Darüber hinaus bietet das IQSH den Lehrkräften im Vorbereitungsdienst die Möglichkeit, zusätzlich ihre Kompetenzen im Umgang mit den modernen IT-Medien zu erweitern, so z.B. zu medienerzieherischen wie auch mediendidaktischen Aspekten. Regelmäßig finden Fortbildungsveranstaltungen und Fachtagungen für die ca. 28.000 Lehrerinnen und Lehrer in Schleswig-Holstein statt, Schulen können die Veranstaltung „Medien machen Schule“ für sich abrufen.
KMK – Arbeitsgruppe auf Bundesebene
Derzeit ist eine Arbeitsgruppe von Staatssekretären der Bildungsministerien in Deutschland mit der Erarbeitung einer Strategie der Kultusministerkonferenz (KMK) „Bildung in der digitalen Welt“ befasst. Dirk Loßack, der Staatssekretär des Bildungsministeriums Schleswig-Holstein, hat zusammen mit dem Staatssekretär des Bildungsministeriums Sachsen in der entsprechenden Lenkungsgruppe den Vorsitz übernommen.
Bildungsdialog
Unter der Überschrift „Lernen in einer digitalen Welt“ haben sich beim Bildungsdialog am 6. Juni 2015 in Kiel mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Einladung von Bildungsministerin Ernst ausgetauscht. Bericht: hier.
Quelle u.a.:
Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Digitalen Lernens (Drucksache 18/3789)