Kritischer Blick auf ein schulpolitisches Vorbild

Helsinki 2016
Helsinki 2016

SPD-Bildungspolitiker unterwegs in Helsinki:

Mit fünf Abgeordneten und einem Referenten besuchte der Arbeitskreis Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur der SPD-Landtagsfraktion die finnische Hauptstadt Helsinki. Auf dem Programm standen Termine zu den Themen Kultur, Schule und Lehrerbildung. Arbeitskreisvorsitzender ist Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek. Er sagt zur Motivation der Reise: „Nachdem Finnland in den ersten PISA-Tests in allen Bereichen hervorragend abgeschnitten hatte, begaben sich ganze Pilgerzüge auf den Marsch in das Ostseeland. Fünfzehn Jahre nach dem ‚PISA-Schock‘ wollten wir vor Ort erfahren, wie es dort mit den Schulen weitergeht.“

Finnland ist so groß wie Deutschland, hat aber nur doppelt so viele Einwohner wie Schleswig-Holstein; die meisten großen Städte liegen an der Südküste. Das hat schon in den 1970er Jahren den Ausschlag dafür gegeben, das gegliederte Schulwesen durch eine Gemeinschaftsschule für die Jahrgänge 1 bis 9 zu ersetzen. Wie die Sozialdemokraten erfuhren, war diese Entscheidung politisch nicht umstritten; auch die Bildung einer Mitte-Rechts-Regierung vor einem Jahr hat daran nichts Entscheidendes geändert. Aber auch Finnland macht Entscheidungen von finanziellen Notwendigkeiten abhängig. So müssen die Hochschulen mit deutlich sinkenden Zuschüssen zurechtkommen, und die Diskussionen in Deutschland um eine kostenfreie Kindertagesstätte gibt es in Finnland gar nicht erst, allerdings ein kostenfreies Vorschuljahr. Obwohl  erst im vergangenen Jahr verpflichtend eingeführt, lag die freiwillige Beteiligung bereits vorher bei rund 99 %.

An der Universität Helsinki traf die Delegation Prof. Matti Meri, der lange für die dortige Lehrkräftebildung verantwortlich war. Bemerkenswert findet Habersaat, dass der Run auf die Lehramtsstudiengänge so hoch ist, dass nur die besten 10-20% der Studienbewerber überhaupt zum Zuge kommen. Anders als in Deutschland gibt es keinen verbürgten Rechtsanspruch auf den Zugang zu staatlich organisierten Ausbildungswegen. Wer Lehrer werden will, muss eine Jury davon überzeugen, dass er geeignet ist. Daher brechen nur sehr wenige Lehramtsstudenten ihr Studium ab oder wechseln zu einem anderen Abschluss. Somit ist von vornherein eine hohe Qualifikation der künftigen Lehrkräfte garantiert. Die große Beliebtheit des Lehrerberufes liegt offenbar in der hohen Akzeptanz der Pädagogen in der finnischen Gesellschaft, nicht jedoch im materiellen Anreiz. Es sei erstaunlich, wie gering die Bruttoeinkommen angesichts der in Finnland sehr hohen Lebenshaltungskosten sind, insbesondere bei den von Frauen dominierten Pädagogen in Kindergärten und Grundschulen.

Aus kulturpolitischer Sicht ist nicht nur die hervorragend erhaltene Bausubstanz der Innenstadt von Helsinki ein Highlight; die Stadt hat eine große Zahl von spannenden Museen und Ausstellungen, besonders im Bereich der Kunst und des Designs. Dem stehen eher ,,konservative“ Ausstellungsgestaltungen wie die des historischen Nationalmuseums gegenüber, das als solches einen guten Einblick in die Entwicklung des finnischen Nationalbewusstseins im 19. Jahrhundert bietet, als Finnland ein Großfürstentum innerhalb des russischen Zarenreiches war.

Die Abgeordneten wollen sich darum bemühen, die Arbeitskontakte nach Finnland zu intensivieren und den Erfahrungsaustausch fortzusetzen. „Beide Seiten können viel voneinander lernen.“

 

Foto: Fünf Landtagsabgeordnete in Helsinki, v.l.: Kai Vogel (Pinneberg), Jürgen Weber (Kiel), Beate Raudies (Elmshorn), Martin Habersaat (Reinbek), Tobias von Pein (Ahrensburg)