Martin Habersaat im Gespräch mit der Kassenärztlichen Vereinigung
Seit dem 31. März gibt es in Glinde für Kassenpatienten keine Möglichkeit mehr, zum Augenarzt zu gehen. Und seit geraumer Zeit ist die einzige Kinderarztpraxis in der Stadt wegen Krankheit geschlossen. Der örtliche Landtagsabgeordnete Martin Habersaat, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, nahm die beiden Fälle zum Anlass, die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) in Bad Segeberg zu besuchen und über die Fachärzteversorgung in Glinde und in Stormarn zu sprechen. Habersaat: „Vieles hängt an der Bundesgesetzgebung, manches soll reformiert werden. Mir ging es im Gespräch vor allem darum auszuloten, ob es Handlungsmöglichkeiten für das Land oder die Stadt gibt.“ Seine Gesprächspartner waren André Zwaka, der stellvertretende Leiter der Zulassungsabteilung, und Delf Kröger, Leiter Gesundheitspolitik der KVSH.
„Ausreichende Versorgung“
In Stormarn gibt es derzeit 163 Hausärzte und 173 Fachärzte. Reicht das? Das ist eine Frage, zu der es viele unterschiedliche Einschätzungen geben kann. Der Bundesgesetzgeber macht grundsätzliche Vorgaben, weitere Bundesgremien und die gemeinsame Selbstverwaltung haben die Aufgabe, diese zu konkretisieren. So beträgt beispielsweise die Verhältniszahl als Grundlage der Bedarfsplanung im Hamburger Umland 1.815 Einwohner pro Hausarzt. Zwaka: „In Stormarn kommt ein Hausarzt auf 1.638 Einwohner. Auf dem Papier ist der Kreis also gut versorgt. Das sagt aber nichts über die räumliche Verteilung der Hausärzte im Kreis oder die Auslastungssituation der Praxis nebenan.“ Ähnlich ist es bei den Fachärzten. Ab einer Versorgung von 110 Prozent gilt ein Kreis als überversorgt, die Quoten für Augenärzte (14 gibt es in Stormarn) und Kinderärzte (16) liegen bei 110,8 und 136,5 Prozent. Hier gibt es deshalb eine Zulassungssperre für neue Kassenärzte, trotzdem sind unter bestimmten Bedingungen weitere Zulassungen möglich.
Kinderarztpraxis
In Glinde gibt es derzeit eine Kinderarztpraxis, die rechnerisch zur Bedarfsdeckung beiträgt, aber wegen Krankheit geschlossen ist. Wenn wegen eines längeren Krankheitsfalles ein Mediziner nicht praktizieren kann, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Suche nach einer Vertretung für die eigene Praxis oder die Vertretung durch umliegende Praxen. Habersaat: „Da die Kosten für Praxisräume und Sprechstundenhilfen weiterlaufen, versuche viele Ärzte, eine Vertretung in der eigenen Praxis zu finden.“ Gebe es diese Vertretung nicht, springen die umliegenden Kinderärzte ein, wobei eine Fahrtzeit von 20 bis 25 Minuten als zumutbar gilt. So ist die Regelung derzeit für die kleinen Glinder Patientinnen und Patienten. Habersaat: „Stadt und Land können hier leider nichts tun, aber Kinderärzte und Patienten: Falls sie überlastet sind und die Vertretung nicht leisten können, könnten sich die umliegenden Kinderärzte an die KVSH wenden. Und falls sie keine Termine bekommen, müssten sich betroffene Eltern an ihre Krankenkassen werden.“
Augenarztpraxis
Anders liegt der Fall bei der Glinder Augenarztpraxis: Gibt ein Augenarzt seine kassenärztliche Zulassung zurück wie jetzt in Glinde, kann es trotz rechnerischer Überversorgung zu einer Nachfolgeregelung kommen. Die erste Möglichkeit ist die Ausschreibung und Übergabe der vorhandenen Praxis, die zweite Möglichkeit eine komplett neue Vergabe. Das kann allerdings erst geschehen, wenn die erste Möglichkeit definitiv nicht zum Tragen kommt. Habersaat: „Eines wurde mir glaubhaft versichert: Der Umstand, dass eine Hamburger Firma die Augenarztpraxis in Glinde betreiben will, ist für die KVSH nicht das Problem.“ Das werde auch mit einem Blick auf Reinbek deutlich, wo genau das der Fall ist. Grundsätzlich sei, so Zwaka, wegen der guten Auslastung der Augenarztpraxis eine neue Zulassung in Glinde möglich, obwohl bei Augenärzten sogar 30 Minuten Anfahrt als zumutbar gelten. Habersaat: „Handlungsmöglichkeiten für Land oder Stadt sehe ich derzeit im konkreten Fall leider nicht, blicke aber wegen der allgemeinen Versorgungsfragen in einer älter werdenden Gesellschaft mit mehr Hintergrundverständnis gespannt auf die Reformbemühungen des Bundes.“
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