Große Anfrage zeigt Lehrermangel und sehr unterschiedliche Verhältnisse im Land:
185 Seiten Zahlen, Daten und Fakten brachte die Große Anfrage der SPD-Landtagsfraktion zur Lage an den Grundschulen zutage. Die Ergebnisse fasst der Reinbeker Landtagsabgeordnete Martin Habersaat zusammen: „Der Fachkräftemangel ist im ganzen Land zu spüren, wenn auch in den Kreisen unterschiedlich stark. Auch in anderen Fragen sind die Verhältnisse im Land der unterschiedlich. Erstaunlich ist, was das Bildungsministerium alles nicht beantworten kann -hier müssen wir besser werden, wenn wir unsere Schulen auf einer soliden Datengrundlage weiterentwickeln wollen.“ Gerade bei den Grundschulen sei der Blick auf Arbeitsbedingungen und Qualität besonders wichtig, da hier nun einmal die Grundlagen im schulischen Bildungsweg gelegt werden.
Im Schuljahr 2018/19 gab es in Schleswig-Holstein 550 Grundschulstandorte mit 108.690 Schülerinnen und Schülern (SuS). Im Kreis Stormarn waren es 9.599 Schülerinnen und Schüler an 34 selbständigen Grundschulen und dem Grundschulteil der Gemeinschaftsschule am Masurenweg in Bad Oldesloe. Die größte eigenständige Grundschule in Stormarn war die Johannes-Gutenberg-Schule in Bargteheide mit 584 SuS, die kleinste die Grundschule Grönwohld mit 96 SuS. Mit Blick auf ganz Schleswig-Holstein sind es die Grundschule des Schulverbands Ratzeburg (688 SuS) und die Grundschule Lübeck-Niendorf (39 SuS). Sehr unterschiedlich wirkt sich der demographische Wandel auf die Kreise aus: Gibt es in Flensburg heute 13 Prozent mehr Grundschülerinnen und Grundschüler als vor zehn Jahren, sind es in Nordfriesland knapp 22 Prozent weniger. Stormarn verzeichnete in diesem Zeitraum ein Plus von 1,2 Prozent, der Kreis Herzogtum Lauenburg ein Minus von knapp 4 Prozent.
„Von den 5.315 Stellen für Grundschullehrkräfte sind leider nur 4.588 mit fertig ausgebildeten Grundschullehrkräften besetzt, über ein Zehntel des Unterrichts hat auch vor Corona schon nicht regulär stattfinden können“, bedauert Habersaat, der auch bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. 26,54 Prozent der Klassen wurden in Mathematik von Lehrkräften unterrichtet, die dieses Fach nicht studiert haben, 239 Klassen zusätzlich von Lehrkräften ohne zweites Staatsexamen. In Sachunterricht steigt die Quote auf 43 und in Musik auf über 47 Prozent ohne entsprechende Qualifizierung. Drei Stormarner Grundschulen mussten mit zwei oder weniger Mathe-Fachkräften auskommen, ebenso viele wie im Kreis Herzogtum Lauenburg. Bleiben fertig ausgebildete Referendare in Schleswig-Holstein? Wie werden krankheitsbedingt ausfallende Lehrkräfte für Sonderpädagogik ersetzt? Diese Fragen kann das Bildungsministerium nicht beantworten.
Sehr unterschiedlich ist die Lage im Land bei Fragen der Schulentwicklung. In Flensburg organisieren 70 Prozent der Grundschulen ihre Eingangsphase flexibel mit übergreifenden Klassen in den Jahrgangsstufen 1 und 2, in Stormarn sind das nur 5,7 Prozent. Im Schuljahr 2018/19 mussten 2.916 Schülerinnen und Schüler die Jahrgangsstufe 1 oder 2 wiederholen bzw. ein drittes Jahr in der flexiblen Eingangsphase verbringen (Stormarn: 209*), dem standen nur 15 Schülerinnen und Schüler gegenüber, die die Eingangsphase in einem Jahr durchliefen (Stormarn: 2). Habersaat: „In einigen Städten gab es überhaupt keine Unterrichtshospitationen durch die Schulaufsicht. Aus unserer Sicht muss sich das Ministerium aber dafür interessieren, was an den Schulen passiert. Insofern freut es mich, dass Stormarn mit 75 Schulbesuchen und 16 Hospitationen im vorderen Bereich liegt.“
„Das Land muss auch beschreiben können, wie es sich eine gute Grundschule vorstellt“, findet der gelernte Gymnasiallehrer Martin Habersaat. Viele Schulträger orientieren sich noch immer an den Schulbaurichtlinien von 2007, seitdem gibt es da nichts Neues. Am Nachmittag geht der Trend zur offenen Ganztagsschule, manche Kreise setzen auch noch auf Horte oder private Betreuungsvereine. Besonders in Stormarn gibt es noch viele Hortangebote. 2019 haben in Schleswig-Holstein 9.298 Schülerinnen und Schüler Hortangebote wahrgenommen, davon 1.653 in Stormarn und nur 108 in Dithmarschen. Wie viele Mensen sind an den Grundschulen eingerichtet? Das weiß das Land nicht. Habersaat; „Wenn Schulentwicklung in Richtung Ganztag stattfinden soll, müssen wir aber die Ausgangslage kennen!“ Das gelte auch für digitale Lernangebote, die durch den Digitalpakt und die jüngsten Erfahrungen in der Corona-Krise nun massiv ausgebaut würden. Habersaat: „„In den vergangenen Wochen haben die Schulen deutlich gesehen, was sie in diesem Bereich können und was nicht. Und vor allem haben sie gesehen, wer es gut kann. Diesen Vorbildern muss jetzt mit den vorhandenen Digitalpaktmitteln schnell nachgeeifert werden. Es darf nicht mehr sein, dass wir einen Teil der Schülerinnen und Schüler über einen längeren Zeitraum einfach nicht erreichen.“
Alle Zahlen, Daten, Fakten:
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/02000/drucksache-19-02035.pdf
*In einer ersten Fassung stand hier fälschlich die Zahl 185, das war der Wert aus dem Schuljahr 2016/17.