Schule muss parteipolitisch neutral sein, ist aber nicht unpolitisch

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Leserbrief an das Hamburger Abendblatt (Stormarn-Teil): 

Es mag den langjährigen CDU-Kreistagsabgeordneten Dehns ärgern, dass mit Kevin Kühnert ein stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD das Interesse junger Menschen an politischer Diskussion weckt und dass dieser 75 Minuten lang mit Schüler*innen des Kopernikus Gymnasiums Bargteheide diskutiert hat. Eigentlich jedoch sollten sich über diese Veranstaltung alle freuen, denen die Demokratie am Herzen liegt.

„Die Schule soll jungen Menschen kulturelle und gesellschaftliche Orientierung vermitteln. Sie soll dazu ermuntern, eigenständig zu denken und vermeintliche Gewissheiten und gesellschaftliche Strukturen auch kritisch zu überdenken. Die Schule soll die Bereitschaft zur Empathie und die Fähigkeit fördern, das eigene Weltbild in Frage zu stellen und Unsicherheiten selbstvertrauend auszuhalten.“ Das ist eine der großartigsten Passagen unseres Schulgesetzes. Eigenständiges Denken übt sich am besten in der Diskussion – weniger beim Lauschen einer Podiumsdiskussion. Wer in die Grundlagenteile der Rahmenpläne schaut, wird sehen, dass nicht einmal der Mathematik- oder der Sportunterricht unpolitisch sind. Dabei gibt das Schulgesetz sogar Grundausrichtungen vor, z.B. Bereitschaft zur Empathie, Erhaltung der Lebensgrundlagen, gemeinsames Europa, gerechte Ordnung der Welt.

Natürlich muss Schule parteipolitisch neutral sein. Es gilt eine Schulpflicht, und wo der Staat alle Kinder und Jugendlichen hinzwingt, darf er diesen keine parteipolitische Richtung aufdrängen. Der „Erlass zur politischen Bildung in Schulen“ sagt: Politik und politisch kontroverse Diskussionen sind gewollter Inhalt schulischen Unterrichts. Politiker*innen dürfen eingeladen werden, auch einzelne*n Vertreter*innen einer Partei. Die Lehrkraft muss dann die politische Meinungsvielfalt auf geeignete Weise ergänzen oder dafür sorgen, dass z.B. Schüler*innen dies tun.

Wichtig ist, dass Schule sich als Teil des öffentlichen Lebens versteht, den öffentlichen Diskurs in ihre Räume holt und im Optimalfall auch mitgestaltet. Am Leben dieser Gesellschaft teilnehmen, Vorstellungen von einer wünschenswerten Zukunft verwirklichen – genau solche Schüler*innen wollen wir. Menschen, die bereit sind, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und diejenigen kritisch zu hinterfragen, die allzu leichte Lösungen anbieten und behaupten, eine Alternative zum bestehenden demokratischen System zu sein.

Martin Habersaat

Landtagsabgeordneter aus Reinbek und bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. (Und für die Dauer des Mandats beurlaubter Lehrer für Deutsch, Geschichte und Politik)