Bewerbungsrede für die Nominierungsversammlung am 7. Oktober 2021 im Bürgerhaus Glinde:
Liebe Genossinnen und Genossen,
jetzt stelle ich mich euch schon zum vierten Mal vor, und eigentlich kanntet ihr mich auch vor meiner ersten Landtagskandidatur 2009 schon als Vorsitzenden der SPD Barsbüttel oder der SPD Stormarn.
Wie ihr wisst, mag ich interessante und witzige Texte. Einen habe ich als Einstieg in so eine Vorstellung mitgebracht, um es mal anders zu machen:
Er heißt: Der Traumpolitiker
„Der ideale Politiker, der all den Ansprüchen der Bürger gerecht wird, ist ein gebildeter Mensch, nach Möglichkeit aber ‚einer von uns‘, der die Sprache des ‚einfachen Mannes‘ spricht. Er kennt sich mit allen Gesetzen und Vorschriften sowie in den Labyrinthen der Verwaltung glänzend aus, damit er jedem Petenten zu seinem Recht verhelfen kann, ist aber keinesfalls Beamter.
Das Einkommen des idealen Abgeordneten liegt nur geringfügig über dem Sozialhilfesatz. So ist es ihm ein Leichtes, für jedes Sportturnier oder jede Rassekatzenausstellung in seinem Wahlkreis einen Pokal zu stiften, ganze Festzelte mit Freibier zu bewirten und jede Spendenaktion großzügig zu unterstützen. Daneben bildet er fleißig Rücklagen für die Zeit nach dem Mandat, denn bei der Altersversorgung begnügt er sich mit einer Mindestrente.
Der Idealparlamentarier nimmt an jeder Plenardebatte von der ersten bis zur letzten Minute teil, glänzt mit frei vorgetragenen Sachbeiträgen zu jedem behandelten Thema, hat aber immer Zeit, um Besuchergruppen zu empfangen oder an Vereinsfesten teilzunehmen. Er schlägt keine Einladung aus und bleibt bis zum Ende jeder Veranstaltung, führt aber ein vorbildliches Familienleben und ist am Wochenende ab 7 Uhr morgens für jedermann erreichbar.
Der Traumpolitiker kämpft eisern für Recht und Gesetz, was er mit der Fähigkeit verbindet, jeden Schwarzbau nachträglich genehmigen zu lassen. Er sorgt dafür, dass Umgehungsstraßen zügig gebaut werden, ohne dass dabei ein Grashalm geknickt wird. Er übernimmt Verantwortung in einem Dutzend von Vereinen und Organisationen, hütet sich aber vor jeder Ämterhäufung. Mit dem politischen Gegner geht er hart ins Gericht, wahrt dabei aber stets hohe Streitkultur.“
(Edmund Stoiber 1992 auf dem Passauer Symposion zur Parteiendemokratie)
Teile davon kann ich erfüllen, aber der Reihe nach:
Was die Sprache angeht, bemühe ich mich, zwischen Fachlichkeit und Verständlichkeit einen guten Mittelweg zu finden. Eine Ausbildung als Lehrer hilft dabei, auch komplizierte Zusammenhänge wie z.B. das Finanzausgleichsgesetz oder die Kappungsgrenzenverordnung zu erklären. Diese sollte übrigens Bestandsmieter*innen vor zu hohen Mietsteigerungen schützen, wurde von Jamaika aber abgeschafft; was zu direkten Folgen z.B. für die Mieter im Hochhaus am Engelspark in Glinde führte.
Keinesfalls Beamter – das kann ich nicht erfüllen. Von meinem Dienstherrn Hamburg bin ich für die Dauer meines Landtagsmandats beurlaubt. Was ich pädagogisch und didaktisch gelernt habe, bringe ich auch gerne in die SPD-Arbeit vor Ort ein, zum Beispiel in die Politikschiede, um unsere Nachwuchskräfte voranzubringen. Das machen wir so gut und gerne, dass wir sogar die FDP in Glinde davon profitieren lassen haben.
Das Einkommen des Abgeordneten – in Schleswig-Holstein sind das derzeit 8.853,59 Euro (brutto). Außerdem hat jeder Abgeordnete Anspruch auf weitere 1.975,39 Euro, die in die private Altersversorgung investiert werden müssen. Fahrtkosten im Rahmen des Mandats werden erstattet, bei terminbedingten Übernachtungskosten (zum Beispiel während der Landtagssitzungen in Kiel) besteht Anspruch auf Kostenerstattung. Weitere Absicherungen, Zulagen oder Sitzungsgelder gibt es nicht. Über diese Zahlen informiere ich auf meinen Webseiten. Davon führe ich meine Parteiabgaben ab, zahle die verschiedenen Vereinsbeiträge und Spende regelmäßig für den Olof-Palme-Preis und ähnliches. Und trotzdem bleibt ein sehr gutes Gehalt übrig, von dem ich sage: Dafür haben die Wählerinnen und Wähler das Recht, dass ich mich in Vollzeit meinem Mandat widme.
Teilnahme am Plenum: Was meine Teilnahme am Plenum angeht, muss ich für diese Legislaturperiode drei Lücken einräumen: Im Januar 2018 und im Februar 2020 sowie im Dezember 2020 habe ich nicht an den dreitägigen Landtagssitzungen teilgenommen. 2018 hieß der Grund Julius, 2020 hieß er Linus und 2021 ward der Welt ein Nierenstein geboren. Auf den hätte ich verzichten können, auf die anderen beiden nicht. Wer mich im Fernsehen oder im Livestream sieht, stellt fest, dass ich häufig am Laptop sitze im Plenarsaal: Wenn ich die Zeit dort nicht nutzen würde, würde ich kaum die vielen Texte schaffen, die ihr von meinen Webseiten, in den Sozialen Medien oder seit einiger Zeit auch im Newsletter des Arbeitskreises Bildung kennt. Aber Präsenz und Aufmerksamkeit gehören dazu, das gehört zur Aufgabenbeschreibung für stellvertretende Fraktionsvorsitzende, die sich die Aufgaben nach dem Ausscheiden von Ralf Stegner neu aufteilen.
Frei gehaltene Sachbeiträge zu jedem Thema: Freie Rede kann ich ganz gut, vorbereitete Rede auch. Inhaltlich konzentriere ich mich im Landtag auf die Bildungspolitik, habe dort aber auch schon zur neuen Landesverfassung geredet oder zu „historischen“ Themen, etwa der Aufarbeitung der nationalsozialistischen oder kolonialen Vergangenheit. In Wentorf durfte ich eine Festrede über das Grundgesetz halten und ich träume noch immer davon, mal von einer unserer Schulen zur Verleihung der Abschlüsse eingeladen zu werden.
Er schlägt keine Einladung aus: Das ist schlicht nicht möglich. Ich bemühe mich aber, viele Termine im Wahlkreis wahrzunehmen und wenn ich mal nicht kann, einen Ersatztermin zu vereinbaren. Noch wichtiger finde ich aber einen Teil meiner Aufgabe, dem ich noch besser nachkommen kann, seit Marion Meyer meine Wahlkreismitarbeiterin ist. Seit dieser Legislaturperiode ermöglicht uns der Landtag, eine Mitarbeiterin in Vollzeit zu beschäftigen und jetzt kann ich mich proaktiv um Termine mit spannenden Menschen und Institutionen bemühen. In letzter Zeit war ich mit Frank Lauterbach war bei der Beratungsstelle für junge Straffällige, mit Gerd Prüfer bei der Schuldnerberatung und mit meinem Landtagskollegen Stefan Weber im Reinbeker Tierheim. Und die Liste ließe sich weiterführen vom Reinbeker Krankenhaus bis hin zu Glinder Kaninchenhaltern. Marion, Danke dafür!
Führt ein vorbildliches Familienleben: Das hoffe ich doch. Ihr kennt meine Frau Shaka von vielen Veranstaltungen, bei denen sie dabei ist. Wir haben zwei großartige Jungs, die manchmal auch mithelfen. Julius etwa dabei, beim Glinder Diskussionstreff 60plus den Kuchen zu verputzen und Linus gerade erst vor zwei Wochen beim Flyer-Verteilen und Rosen-Zerlegen auf dem Reinbeker Markt.
Hütet sich vor Ämterhäufung: Das habe ich bisher tatsächlich. Meine Mandate in Gemeindevertretung und Kreistag habe ich nach meinem Einzug in den Landtag abgegeben, als Kreisvorsitzender habe ich aufgehört, als ich stellvertretender Fraktionsvorsitzender wurde. Trotzdem gibt es Dinge, die man machen muss: Alfred Schulz zuliebe habe ich Vorsitz beim Verein „Tribüne“ übernommen, um zumindest die Chance auf eine Revitalisierung zu waren. Ich bin Mitglied in diversen Fördervereinen und natürlich noch immer bei den Barsbütteler Pfadfindern, da ist es nämlich wie bei der SPD: Da tritt man nicht aus.
Hohe Streitkultur: Das ist die Kunst. Die Leute mögen keinen Streit, aber sie mögen auch nicht, wenn sie das Gefühl haben, die Parteien und Kandidaten würden sich nicht unterscheiden. Sachlich die Unterschiede herausarbeiten und hin und wieder auch mal eine humorvolle Spitze – so versuche ich das. Und wenn meine Landesvorsitzende den Rücktritt der Bildungsministerin fordert, liefere ich natürlich die reichlich vorhandenen Argumente.
Ja, das bin ich, und heute bitte ich euch um euer Vertrauen, um auch bei der Landtagswahl am 8. Mai 2022 wieder euer Kandidat sein zu dürfen. Dazu auch noch ein paar Worte:
Wir haben mit Thomas Losse-Müller einen Spitzenkandidaten, vor dem sich die CDU zu Recht fürchtet. Klug, sympathisch, weltgewandt: Ein starkes Angebot für ein rot-grünes Schleswig-Holstein. Thomas hat für die Weltbank gearbeitet, war Staatssekretär im Finanzministerium und Chef der Staatskanzlei bei Torsten Albig. Seine Stärken sind das strategische Denken, Landesplanung und Digitalisierung. Aber ich soll heute gar nicht für ihn werben, sondern für mich. Spätestens am 11. Januar könnt ihr ihn bei unserem gemeinsamen Neujahrsempfang in Oststeinbek kennenlernen, gemeinsam mit der Hamburger SPD-Landesvorsitzenden Melanie Leonhard – die übrigens auch bei den Pfadfindern war.
Ich habe mir für den Wahlkampf zwei Schwerpunkte vorgenommen: Die Bildungspolitik und die Zusammenarbeit mit Hamburg. Wir glauben, dass die Schule der Zukunft inklusiv, digital und ganztags sein wird. Das bedeutet: Schulen übernehmen Verantwortung für alle ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler und fördern alle individuell. Schulen nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung für den Kontakt von Lehrkräften und Schüler*innen untereinander, für den Unterricht und für spannende Projekte. Und Schulen werden immer mehr zu Orten, an denen Schüler*innen den ganzen Tag verbringen, mit einem Angebot für Frühstück und Mittagessen, mit bewertungsfreien Freizeitangeboten und mit anderen Raumkonzepten als einem Flur, von dem Klassenräume abgehen. Am 6. November wird es zu diesen Themen eine ganztägige Veranstaltung im Kieler Landeshaus geben und später dann eine Handreichung für Schulträger, die sich den Neu- oder Umbau ihrer Schulen vornehmen. Natürlich unterlegt durch ein Schulbauförderprogramm. Am 6. November ist das Architekturbüro ppp dabei, das gerade die GMS Reinbek und die Grundschule Oststeinbek baut, Trapez, von denen die GMS Barsbüttel und das Jugendzentrum Glinde stammen und Julian Weyer, der die A. P. Møller Skolen in Schleswig gebaut hat.
Zur Zusammenarbeit mit Hamburg ist durch unseren heutigen Gast schon eine Menge ausgesagt. Ole Thorben Buschhüter und ich sind Wahlkreisnachbarn, wir sind schon vor 10 Jahren mit der S4 nach Ahrensburg probegefahren, er war im Reinbeker Rathaus dabei, als es um die S21 ging. Neben dem ÖPNV gibt es aber noch weitere Mobilitätsthemen, um die wir uns kümmern müssen: Stadtrad und Carsharing dürfen nicht an der Landesgrenze enden, zum Beispiel. Darum sollte sich aber nicht jede Kommune im Umland alleine kümmern müssen. Hamburg entwickelt rund um das DESY eine „Science City Hamburg Bahrenfeld“, Schleswig-Holstein könnte in Schenefeld ein bisschen mitziehen. Im Projekt Neue Energiewende 4.0 haben Schleswig-Holstein und Hamburg 5 Jahre lang, gestartet also von der Regierung Albig, die Blaupause für die Energiewende in Deutschland entwickelt. Die muss jetzt umgesetzt werden.
Ihr seht, die Ideen gehen mir noch lange nicht aus. Die Ausgangslage ist deutlich besser, als sie war, als ich den Bewerbungsbrief geschrieben habe. Die SPD lag bei der Bundestagswahl in Schleswig-Holstein deutlich über dem Bundesschnitt, die CDU deutlich darunter. Ich habe mich sehr gefreut, die roten Balken in Reinbek, Glinde, Barsbüttel, Oststeinbek und Wentorf zu sehen. Ich hoffe, ihr präsentiert die ausgiebig auf euren Webseiten und in euren Schaukästen. Nicht, um Selbstgerechtigkeit auszustrahlen, sondern um für die Landtagswahl und die Kommunalwahl zu zeigen: Das Rennen ist offen. Ich würde mich freuen, mit euch in den nächsten Wahlkampf zu ziehen. Vielleicht nicht als Edmund Stoibers Traumpolitiker, aber doch gerne als einer von den Guten, der sich weiterhin über eure Unterstützung freuen darf.