Studie: Nutzbarkeit der Wind-Vorranggebiete für moderne Windenergieanlagen
Von: Dr. Carsten Pape, Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE (Kassel)
Auftrag: Bundesverband Windenergie Schleswig-Holstein (BWE SH)
Veröffentlichung: Mai 2022
In zwei Sätzen: Zwei Prozent der Landesfläche sollen der Erzeugung von Windenergie dienen. Formal erfüllt Schleswig-Holstein dieses Ziel, tatsächlich sind es wegen landesseitiger Einschränkungen aber nur 1,3 Prozent.
Meine Zusammenfassung: Für die Windenergie an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden. Das haben sich SPD, Grüne und FDP im Bund vorgenommen (1). Schleswig-Holsteins Landesregierung wirbt damit, dieses Ziel schon erreicht zu haben (2). Aber: Zwei Prozent der Landesfläche sind zwar als Wind-Vorranggebiete ausgewiesen, wegen landesseitiger Einschränkungen sind tatsächlich nur 1,3 Prozent der Landesfläche nutzbar. Marcus Hrach, Leiter des BWE SH, beklagt: „Schleswig-Holstein ist nicht der Musterschüler, für den das Land immer gehalten wird.“ (3)
Für das Nicht-Erreichen des Flächenziels gibt es zwei Gründe: Erstens gibt es in Schleswig-Holstein die Regel, dass die Rotoren der Windkraftanlagen nicht über die Vorrangfläche hinausragen dürfen. Daraus ergibt sich bei einem heute üblichen Rotordurchmesser von 145 m ein 72,5 m breiter Streifen rund um jede Eignungsfläche, der nicht nutzbar ist. Zweitens gibt es flexible Abstandsregelungen zwischen Windkraftanlagen und Wohngebäuden. In Schleswig-Holstein müssen Windenergieanlagen die fünffache Gesamthöhe der Anlage als Abstand zu Wohngebäuden in geschlossenen Ortschaften einhalten. Zu Wohngebäuden im Außenbereich ist die dreifache Gesamthöhe vorgeschrieben. Die Landesregierung hat die Flächen mit einer Anlagenhöhe von 150 m berechnet. Heute marktübliche Anlagen sind aber 180 m (an windgünstigen Lagen wie an der Nordseeküste) bis 195 m (in Lagen wie z.B. Stormarn) hoch, entsprechend kleiner werden die zur Verfügung stehenden Flächen.
Mein Fazit: Das Zwei-Prozent-Ziel ist ein politisch gesetztes, das die Orientierung bei der Energiewende erleichtern soll. Letztlich geht es natürlich nicht um die Fläche, sondern um den aus Erneuerbaren Energien erzeugten Strom. Die Erneuerbaren Energien müssen nicht nur bisherige Stromquellen ersetzen, sondern letztlich auch in anderen Sektoren wie dem Verkehr und beim Heizen fossile Brennstoffe ersetzen. Deutlich wird aber: Mit den aktuell ausgewiesenen Vorrangflächen können weder das Zwei-Prozent-Ziel der Bundesregierung noch die klimapolitischen Ziele Schleswig-Holsteins erreicht werden. CDU und Grüne müssen sich im Koalitionsvertrag auf Lösungen für dieses Problem verständigen. Das können zum Beispiel zusätzliche Flächen oder ein anderer Umgang mit den Überständen der Rotoren sein.
Übrigens: Die Anzahl der Windenergieanlagen betrug 2017 2.981. Genauso viele wie im Januar 2022. Im gleichen Zeitraum stieg die installierte Leistung durch die Erneuerung von Anlagen lediglich um rund 334 Megawatt an. Auch diese Zahl zeigt: Es hakt in Schleswig-Holstein.
Links:
(1) Koalitionsvertrag, S.44. Die nähere Ausgestaltung dieses Ziels soll im Baugesetzbuch erfolgen.
(2) Landesregierung zum „Landesentwicklungsplan Wind“
(3) Pressemitteilung des BWE SH
In unregelmäßigen Abständen werde ich an dieser Stelle Studien vorstellen, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen und daraus resultierenden Aufgaben für die Landespolitik befassen.