Studien und Politik: Ausbildungschancen von Jugendlichen mit niedriger Schulbildung

Gabelstapler (Pixabay)

Studie: Zukunft ungewiss – Ausbildungschancen von Jugendlichen mit niedriger Schulbildung

 

Von: Bertelsmann Stiftung und Deutsche Kinder- und Jugendstiftung

 

Auftrag: Die Delphi-Befragung fand innerhalb eines gemeinsamen Foresight-Vorhabens „Zukunftsszenarien für die Berufsausbildung 2030. Herausforderungen erkennen – Strategien entwickeln – Wandel gestalten“ der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung statt. Für die Umsetzung erhielt die DKJS eine Förderung aus Mitteln der Soziallotterie freiheit+. 

 

Veröffentlichung: September 2022

 

In zwei Sätzen: Wer in bildungsbenachteiligten Verhältnissen aufwächst, hat es in Schule und Ausbildung schwer. Mehr tun könnten allgemeinbildende Schulen und Jugendberufsagenturen, aber auch in Teilqualifikationen könnte eine Chance für Berufseinstiege liegen. 

 

Meine Zusammenfassung: 

Im Sommer 2020 verließen bundesweit 168.759 Schülerinnen und Schüler (22,5 % aller Schulabgänger*innen) die Schule ohne Schulabschluss bzw. mit einem Ersten Schulabschluss (ESA). Viele dieser jungen Menschen landen nach der Schule nicht in einer Ausbildung, sondern im Übergangssystem. Trotz unbesetzter Ausbildungsstellen bleibt mehr als ein Drittel (35,8 %) der Personen mit Hauptschulabschluss zwischen 20 und 34 Jahren ohne Ausbildung. Von denjenigen ohne Schulabschluss sind es sogar fast zwei Drittel (64,4 %). Die Leitfrage der Studie war nun: Wie lässt sich der Übergang Schule-Ausbildung im Jahr 2030 so gestalten, dass er vor allem auch Jugendlichen mit maximal Erstem allgemeinbildenden Schulabschluss gelingt und ihnen eine gute berufliche Zukunftsperspektive eröffnet?

Auf Grundlage von Zukunftsszenarien zur Lebens- und Arbeitswelt 2030 und vertieften Interviews mit Expert*innen wurden Fragebögen entwickelt, mit denen ca. 100 Vertreter*innen aus Wirtschaft, Verwaltung, Bildungspraxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nach ihren Einschätzungen und Prognosen bezüglich der Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven Jugendlicher mit maximal ESA im Jahr 2030 befragt wurden. So wurden Handlungsfelder identifiziert, die für die Entwicklung von Strategien zur Gestaltung des Übergangs Schule-Ausbildung im Jahr 2030 als Anregungen dienen können. Die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 die Zahl junger Menschen ohne Berufsabschluss leicht oder sogar stark steigen wird. Es werde weiter Passungsprobleme zwischen Ausbildungsplätzen und unversorgten Bewerber*innen geben. Die Befragten wünschen sich eine bessere Verständlichkeit und Transparenz des Gesamtsystems im Übergang Schule-Ausbildung. Besonders allgemeinbildenden Schulen und Jugendberufsagenturen kommt hier eine wichtige Rolle zu (S.17). Im Übergangssystem müsse es Module geben, die bei einer späteren Ausbildung angerechnet werden oder als Teilqualifikation für einen Berufseinstieg reichen.   

Ansatzpunkte sind die kompetenz- und potenzialorientierte Förderung von Jugendlichen und die stärkere Beachtung non-formal und informell erworbener Kompetenzen in der Schule. Das setzt einen anderen Blick auf Schüler*innen und einen anderen Unterricht voraus. Die Berufsorientierung muss individueller und praxisnäher werden. Allgemeinbildende Schulen und berufsbildende Schulen müssen zusammenarbeiten, auch die Eltern eingebunden werden. Übergangscoaches können helfen. Die allgemeinen Qualifikationsanforderungen werden steigen, gleichzeitig werden Betriebe auf Arbeitnehmer*innen mit Teilqualifikationen angewiesen sein, was eine Flexibilisierung von Bildungs- und Qualifizierungsangeboten erforderlich macht. Die Mobilität von Jugendlichen sollte durch ein Bündel von Maßnahmen (Azubi-Wohnheime, Azubi-Tickets, finanzielle Beihilfen) erhöht werden. Zuständigkeiten am Übergang Schule-Ausbildung müssen gebündelt werden, hier eignen sich Jugendberufsagenturen.

Mein Fazit: 

Das Aufbrechen von sozialer Herkunft und Bildungserfolg bleibt ein wichtiger Auftrag, zumindest für sozialdemokratische Bildungspolitik. Die Kooperation von allgemeinbindenden und berufsbildenden Schulen reicht noch nicht aus – in der Praxis ist es teilweise mehr ein Gegeneinander. Instrumente wie die Jugendberufsagenturen müssen ernsthaft umgesetzt und dürfen nicht nur behauptet werden.   

Übrigens: 

In Schleswig-Holstein ist die Zahl junger Menschen ohne Schulabschluss zuletzt gestiegen. 

Die Delphi-Methode ist ein systematisches, mehrstufiges Befragungsverfahren mit Rückkopplung und ist eine Schätzmethode, die dazu dient, zukünftige Ereignisse, Trends, technische Entwicklungen und dergleichen möglichst gut einschätzen zu können. (Wikipedia)

 

Links: 

Die Publikation ist online abrufbar unter http.//dx.doi.org/10.11586/2022071

 

Zu den Jugendberufsagenturen siehe den Newsletter vom Oktober 2021 des Arbeitskreises Bildung der SPD-Landtagsfraktion. 

https://www.spd-fraktion-sh.de/wp-content/uploads/sites/479/2021/09/Newsletter_Oktober_2021.pdf