TraFo.SH

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Wie die SPD Schleswig-Holstein die Klimatransformation gestalten will:

Seit 250 Jahren gründet der Wohlstand der Industriegesellschaften auf dem Verbrennen von Kohle, Öl und Gas. Das führt zur Erderwärmung und bedroht in letzter Konsequenz unsere Lebensgrundlage. Zudem hat es Deutschland abhängig von autoritären Regimen und deren fossilen Energiequellen gemacht. Der Ukrainekrieg hat zuletzt deutlich gemacht, dass es nicht nur um eine Frage des Klimaschutzes, sondern auch um Fragen der Energiesicherheit und Resilienz geht. Die in Folge des Krieges steigenden Gas- und Ölpreise führen zu großen sozialen und wirtschaftlichen Belastungen. Deshalb muss der Ausstieg aus den fossilen Energien schnell erfolgen. Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek: „Deutschland hat sich gesetzlich dazu verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu sein. Wir als SPD-Landtagsfraktion wollen dieses Ziel in Schleswig-Holstein schon 2040 erreichen. Die schwarz-grüne Landesregierung hat dies ebenfalls angekündigt.“ Dafür sei bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 notwendig. Für dieses Zwischenziel müsse der Treibhausgasausstoß in Schleswig-Holstein in den nächsten acht Jahren von heute 24 Millionen Tonnen auf 12 Millionen Tonnen halbiert werden – das entspreche dem Sechsfache der Einsparungen, die in den letzten acht Jahren geschafft wurden.

Das wird aus Sicht der Sozialdemokraten um ihren Fraktionsvorsitzenden Thomas Losse-Müller nur gelingen, wenn der Staat sich der Aufgabe stellt und wenn die Politik Lösungen liefert, die so groß sind wie das Problem. Losse-Müller: „Uns stehen die finanziellen Ressourcen, das Wissen, die Technologien und die sozialen sowie wirtschaftlichen Fertigkeiten dafür zur Verfügung. Deshalb wollen wir in Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2040 aus dem fossilen Zeitalter aussteigen.“ Für eine gerechte Klimatransformation brauche man einen starken Staat, der mit neuen öffentlichen Infrastrukturen dafür sorge, dass die Klimaziele erreicht, unsere Wirtschaft gestärkt und dabei unsere Gesellschaft zusammengehalten würden. Die Gefahr der Spaltung liege darin, dass sich längst nicht jeder Haushalt den Wechsel zu klimaneutralen Technologien leisten könne. Die Verantwortung dürfe deshalb nicht allein auf einzelne Haushalte abgeladen werden. Losse-Müller: „Das eigene Haus zu dämmen und eine Wärmepumpe einzubauen erfordert 75.000 Euro oder mehr. Hinzu kommen Ausgaben für die Solaranlage auf dem Dach und den Speicher im Keller. Auch das neue E-Auto kostet in der Anschaffung mehr als der alte Benziner.

Die Sozialdemokraten sind sich sicher: Für Schleswig-Holstein liegen riesige wirtschaftlichen Chancen in der Energie- und Klimatransformation. Die große Verfügbarkeit von Windkraft und anderen erneuerbare Energien in Kombination mit bestehenden industriellen Strukturen sind einmalig in Deutschland. Der Standort ist attraktiv für Neuansiedlungen und kann Vorbild für die Transformation bestehender Industrie sein. Aber der internationale Wettbewerb um Technologieführerschaft und die Führungsrolle in der industriellen Transformation hat volle Fahrt aufgenommen. Schleswig-Holstein steht auf dem Weg, das erste grüne Industrieland zu werden, in Konkurrenz mit vielen anderen Orten in der Welt. Die Investitionsbedarfe für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft und die Ansiedlung neuer Produktionsstätten sind enorm. Deshalb brauchen wir eine aktive Industriepolitik, die durch gemeinsame Investitionen mit der Wirtschaft gute Arbeitsplätze sichert und neue schafft. Wir tun das in dem Wissen, dass jede öffentliche Investition in diesen Zukunftssektor das Zehnfache an privaten Investitionen aus der Wirtschaft nach sich ziehen wird.

Wir brauchen den Staat als Garant für sozialen Ausgleich in der Energie- und Klimatransformation

Für die SPD-Landtagsfraktion ist klar: Die Transformation wird nur gelingen, wenn der Staat in die Verantwortung geht. Er darf diese Aufgabe nicht auf den Einzelnen abwälzen. Der Staat muss die erforderlichen Veränderungen sozial gerecht organisieren. Das bedeutet, für den Bau neuer gemeinschaftlicher Infrastrukturen zu sorgen: Leistungsstärkere und intelligente Stromleitungen. Wärmenetze, die klimaneutral erwärmtes Wasser über Leitungen in Häuser bringen. Ladesäulen für E-Autos überall im Land und nicht nur da, wo sie sich lohnen. Neue Bahnschienen und Busse, die mit Strom oder Wasserstoff fahren. Saubere Fabriken, die über moderne Verbundsysteme neue Kreislaufprozesse zur Energieeinsparung nutzen. Das Land muss den Bau dieser Infrastrukturen in enger Kooperation mit Bund und Kommunen angehen.

Die Voraussetzung für die Nutzung all dieser Infrastrukturen ist der Ausbau Erneuerbarer Energien. Je weniger erneuerbarer Strom, desto höhere Rechnung. Je weniger erneuerbarer Strom, desto weniger Industriearbeitsplätze. Je weniger erneuerbarer Strom, desto kostspieliger wird die Mobilität der Zukunft. Je weniger erneuerbarer Strom, desto teurer werden Wärme und Kälte. Deshalb ist der Ausbau von Windenergie an Land und auf See, Solarenergie auf Dächern und in der Fläche für die SPD ein zentraler Hebel einer sozial gerechten Transformation.

Die sozial gerechte Transformation erfordert allein in Schleswig-Holstein öffentliche Investitionen von geschätzt 10 Milliarden Euro bis 2030

Die neuen Infrastrukturen müssen bezahlt werden. Wir schätzen, dass das Land Schleswig-Holstein bis 2030 Investitionen in Höhe von rund 10 Milliarden Euro finanzieren muss, um die Transformation des Gebäudesektors, der Mobilität, der Strom- und Wärmeversorgung und der Industrie sowie die Anpassungen an die Herausforderungen des Klimawandels entschieden voranzutreiben.

Die Investitionen müssen überwiegend von den Kommunen und vom Land getätigt werden. Ein Teil dieser Bedarfe kann aber durch zusätzliche Mittel des Bundes oder der EU finanziert werden. Zusätzlich soll eine Landesinfrastrukturgesellschaft Investitionen durch eigenständige Fremdkapitalmobilisierung sichern und so die Finanzierungsbedarfe des Landes und mittelbar der Kommunen reduzieren. Die Investitionen in die Versorgungsinfrastruktur werden sich zudem mittel- und langfristig durch den Betrieb fair und transparent refinanzieren lassen. Das gilt insbesondere für Wärmenetze, Stromnetze und die Wasserstoffinfrastruktur.

Die Vorlaufzeit für die Planung und den Bau der benötigten Infrastrukturen und die Absicherung privatwirtschaftlicher Investitionen erfordert die Bereitschaft des Landes, heute aktiv zu werden und die Investitionen anzustoßen. Für die Energie- und Klimatransformation braucht es Investitions- und Planungssicherheit. Die besondere Herausforderung ist deshalb, dass die geschätzten 10 Milliarden Euro nicht aus dem laufenden Landeshaushalt finanziert werden können. Wer das behauptet, will entweder den Sozialstaat schleifen oder sagt die Unwahrheit. Die Menschheitsaufgabe, den Klimawandel zu stoppen und Kohle, Gas und Öl endgültig zu verbannen, erfordert tiefgreifende Veränderungen und zusätzliches Geld.

Gleichzeitig sind wir der Auffassung, dass weder die Folgen des Klimawandels noch die finanziellen Lasten der Transformation nur von kommenden Generationen getragen werden sollten. Deshalb schlagen wir einen neuen Transformations-Soli vor, der befristet bis zum Jahr 2045 erhoben wird und im Wesentlichen die Haushalte von Ländern und Kommunen stärkt. Allerdings braucht es zur Umsetzung andere Mehrheiten im Bund. Wir können aber angesichts der notwendigen Geschwindigkeit nicht warten, bis wir neue Instrumente der Finanzierung entwickelt haben.
Die einzige kurzfristige Alternative ist deshalb die Aufnahme zusätzlicher Kredite für die gerechte Klimatransformation, die auch innerhalb der Schuldenbremse möglich sind.

Die Bedarfe stellen sich nach unseren Schätzungen über die Sektoren folgendermaßen dar:
(Bedarf in T€)

Schleswig-Holstein braucht einen Transformationsfonds (TraFo.SH)

Wir wollen einen Transformationsfond (TraFo.SH) einrichten, der die erforderlichen öffentlichen Investitionen durch Land und Kommunen zur Erreichung der Klimaziele absichert. Als Sondervermögen wird das Geld langfristig zur Finanzierung neuer Infrastrukturen zur Verfügung stehen. Aus diesem Sondervermögen wird auch eine Landesinfrastrukturgesellschaft kapitalisiert, die privatwirtschaftlich lohnende Investitionen finanziert und eigene Fremdfinanzierung mobilisieren kann.

Der Fonds schafft über Jahre Investitionssicherheit und garantiert, dass Fördermittel der EU und des Bundes kofinanziert werden können. Als Ergebnis holen wir mehr Geld in den Norden und stärken unsere Wirtschaftskraft. Zudem haben wir mit den zusätzlichen Mitteln eine realistische Chance, unsere Klimaziele wirklich einzuhalten. Aktuell reißen wir sie jedes Jahr. Und wir sorgen mit dem Fonds für gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil so wirklich alle Menschen unabhängig vom Geldbeutel klimaneutral werden können. Der Wandel wird dadurch sozial gestaltet.

Mit Blick auf das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und angesichts der Energiekrise in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind im Rahmen der in der Landesverfassung festgelegten Notfallklausel Kredite außerhalb der Schuldenbremse möglich. Im November 2022 haben wir im Landtag mit den Stimmen von CDU, Grünen, SPD und SSW einen Notkredit in Höhe von einer Milliarde Euro aufgenommen, der auch Ausgaben für Klimaschutz enthält. All das zeigt, die Zeit ist reif.

Als SPD-Fraktion werden wir unser Konzept eines TraFo.SH mit den Akteuren im Land in den kom-menden Monaten beraten und verfeinern und die ersten Kostenschätzungen überprüfen und dann im Jahr 2023 in den Landtag einbringen.

Material: 

2022-11-30_Konzept_TraFo_SPD_Fraktion Konzept_Transformationsfond_SPD_Fraktion