Liebe Festgemeinde,
nach Björn Engholm ans Rednerpult treten – das ist in der SPD Schleswig-Holstein noch immer etwas besonders und geht eigentlich nur gut, wenn man etwas wichtiges zu sagen hat. Glücklicherweise ist das bei mir heute der Fall: Ich trete vor Sie mit der Vorstellung der Nominierten für den Olof-Palme-Friedenspreis 2023 und mit der Verkündung des Preisträgers. Die Vorstellung der Nominierten erfolgt dabei in der Reihenfolge des Eingangs der Vorschläge
Erste Nominierung:
Jan-Henryk Susek, Barsbüttel
Seit der ersten Verleihung des Olof-Palme-Friedenspreises spiegelt sich das Weltgeschehen in den ehrenamtlichen Aktivitäten der Stormarnerinnen und Stormarner wider. Menschen nehmen sich der Aufgaben an, die die Zeit, in der sie leben, ihnen stellt. Vor drei Jahren kam eine neue Aufgabe hinzu. Zuerst waren da Meldungen von einer neuen Lungenkrankheit in China, dann gab es erste Fälle auch anderswo in der Welt und schließlich war das öffentliche Leben in noch nie dagewesener Form lahmgelegt: Die Corona-Pandemie war über die Welt gekommen. Schon 2020 schrieb Silvia Sprenger: „Wir brauchen viel Mut, Kraft, Geduld, Disziplin, Weisheit, Klugheit und viel Menschlichkeit, um diese Katastrophe zu beherrschen.“ Frau Sprenger nominierte Herrn Susek, weil er in schwieriger Lage selbst Verantwortung übernahm und nicht nur auf andere schaute:
Plötzlich mussten Schutzmasken her und waren nicht zu bekommen. Und während manch‘ einer in diesen Zeiten der Knappheit von Gesundheitsgütern sich von Gier leiten ließ und fragwürdige Geschäfte machte, führte die Lage bei Jan-Henryk Susek zu einem anderen Impuls: Er sah, dass es in Industrie und Lieferketten zu Engpässen kam und wollte helfen, diese zu überbrücken. Gemeinsam mit Mitstreitern organisierte er die Produktion benötigter Faceshield-Masken und stellte tausende davon Rettungsdiensten, Kliniken und Praxen kostenlos zur Verfügung. Die Lieferzeiten hätten ansonsten bei mehreren Wochen gelegen, die Lager waren leer. Dabei kooperierte Herr Susek auch mit vielen anderen Aktiven und Initiativen, organisierte, lieferte aus. Alles nach Feierabend. Da war jemand da, als er gebraucht wurde.
Zweite Nominierung:
Sonja Borowski, Ammersbek
Sonja Borowski hatte eine Schulzeit, wie wir sie uns aus bildungspolitischer Sicht nicht wünschen: Betroffen von einer Lese-Rechtschreibschwäche erlebte sie schwierige Jahre mit Mobbing in der Grundschule, das Regelschulwesen war überfordert. Sie wechselte schließlich an eine Sprachheilschule. Was dort passierte, beschreibt uns Adrian Borowski, der sie nominiert hat, so: „Mit den Jahren entwickelte sie großen Ehrgeiz und Einsatzwillen für Menschen, die benachteiligt sind.“ Und das wünschen wir uns bildungspolitisch sehr: Junge Menschen, die bereit sind, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Sonja Borowski organisierte Sonderschulforen, baute eine deutschlandweite Selbsthilfegruppe (Junge Aktive des Bundesverbands für Legasthenie und Dyskalkulie) auf. Mit den Jahren kamen weitere Themen hinzu: Mit dem Verein Foodsahring.de geht es um Lebensmittelrettung, darüber auch um Obdachlosenhilfe, aber auch um „Kein Hunger im Alter“. Auch im Umweltschutz ist Sonja Borowski aktiv. Mit dem von ihr mitgegründeten Verein „Für dich in Stormarn e.V.“ organisierte sie zu Beginn des Ukrainekrieges Spendensammlungen. Zusammen mit ihrer Familie unterstützt sie eine aus nach Stormarn geflüchtete Familie aus Afghanistan beim Ankommen in Deutschland.
Sonja Borowski selbst fasste ihren Einsatz so zusammen: „Ich möchte nicht in meiner bunten Blase leben und nur von den Vorzügen, die das Leben haben kann, kosten. Ich möchte abgeben, teilen und gemeinsam etwas bewegen und nachhaltig verändern. Für mehr Frieden, Toleranz und Akzeptanz, hin zu einer bunten Gesellschaft, wo alle Menschen sein dürfen, wie sie sind.“
Dritte Nominierung
Verein Oldesloer Jugend Courage-Peis, Bad Oldesloe
Ehrenamtliches Engagement durch einen Preis würdigen, vernetzen und stärken. Das ist ein Gedanke, der den Menschen in diesem Raum nicht ganz fremd sein sollte.
Der Oldesloer Jugend-Courage-Preis wurde 2019 von Privatpersonen und Vertreter*innen unterschiedlicher Institutionen gegründet. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, grundlegende demokratische Werte zu unterstützen, zum Beispiel: Haltung statt Beliebigkeit, Erinnern statt Vergessen, Gemeinwohl statt Eigennutz, Dialog statt Diffamierung, Eingreifen statt Wegschauen. Nominiert wurde der Verein von Heiko Winckel-Rienhoff aus Westerau. Die Preisverleihung findet in jedem Jahr am 9. November statt, einem besonderen Datum in der deutschen Geschichte. Von der Ausrufung der Republik 1918 über den gescheiterten Putschversuch der NSDAP 1923 und den Beginn der Novemberpogrome 1938 bis zum Fall der Mauer 1989 gibt es viele Anlässe, sich an Vergangenes zu erinnern und Lehren für Zukunft zu ziehen.
Junge Menschen sollen zu Haltung gegenüber Populisten und Ewiggestrigen motiviert und die Erkenntnis gefördert werden, dass Demokratie täglich gelebt und fortentwickelt werden muss. Der Verein unterstützt Erinnerungsarbeit und stärkt gesellschaftliche Solidarität. Der Oldesloer Jugend-Courage-Preis ist ein Mitmachangebot an Schulklassen, Jugendgruppen und Vereine, aber auch an einzelne Schüler*innen und junge Menschen bis zum 27. Lebensjahr. Dadurch, dass sich die aktiven jungen Menschen kennenlernen und von ihrem Engagement berichten, entsteht ein starkes Netzwerk für Stormarn. Auch das ein Gedanke, der uns hier bekannt vorkommt.
Vierte Nominierung
Förderverein des Instituts für ökologischen Landbau Trenthorst, Westerau
Das Thünen-Institut ist ein wissenschaftlicher Leuchtturm in unserer Region. Die nachhaltige Nutzung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die vitale Entwicklung ländlicher Räume sind zentrale gesellschaftliche Ziele, die durch ökologischen Landbau erreicht werden können. Am Standort Trenthorst wurde mit der Institutsgründung ein intensiv konventionell geführter Standort auf ökologische Wirtschaftsweise umgestellt und es wird unter anderem erforscht, wie die richtige Fruchtfolge den Einsatz von Chemie überflüssig machen kann, um es in meinen Worten zu sagen.
Der Förderverein fördert den Ökologischen Landbau sowie den Umwelt-, Landschafts-, Natur- und Tierschutz durch regelmäßige öffentliche Veranstaltungen und bewirbt damit die Aktivitäten des Instituts. Insbesondere jungen Menschen soll ein Verständnis für nachhaltige Entwicklung in der Landwirtschaft ermöglicht werden. Der Verein ermöglicht zudem auf zwei Stellen ein FÖJ, ein ökologisches Bildungsjahr, das jungen Menschen praktische Orientierungsmöglichkeiten im Natur-, Klima- und Umweltschutz sowie im Bereich Bildung für Nachhaltigkeit bietet. Stefen Weber aus Reinfeld nominierte den Verein unter anderem mit diesen Worten: „Die Arbeit des Thünen-Instituts hat für die landwirtschaftliche Praxis und für politische Entscheidungen eine hohe Relevanz. Der aktive und sehr lebendige Förderverein ist eine wichtige Brücke in die Gesellschaft in unserer Region. Mit vielfältigen Veranstaltungen, Projekten, Materialien und Kunstaktionen weckt der Förderverein Interesse und informiert über nachhaltige Landwirtschaft, Umwelt-, Landschafts- und Tierschutz.“
Fünfte Nominierung
Joachim Butz, Oststeinbek
Die SPD Oststeinbek hat Joachim Butz für den Olof-Palme-Friedenspreis nominiert für sein jahrelanges Engagement für Schulkinder in Afrika. Dieses begann mit einem Urlaub 1997 und mündete in ein jahrzehntelanges Engagement, das Menschen letztlich helfen soll, sich selbst zu helfen. Der Schlüssel dazu heißt: Bildung. 2013 kam es zu der Entscheidung, den Bau einer Schule in Mwanamkuu zu unterstützen und 2014 konnte ein kleiner Bau realisiert werden, der 2015 als Schule registriert wurde, es folgten Erweiterungen und beherbergt heute eine Primary School (Grundschule) und eine ecd (early child development; Vorschule) mit mehr 250 Schülerinnen und Schülern in sieben Klassen. Die öffentliche Hand finanziert hier fünf Lehrkräfte, zwei weitere wurden erst von Herrn Butz und werden jetzt durch den Verein finanziert.
Mwanamkuu ist kein Dorf wie man es bei uns kennt, sondern mehr eine Streusiedlung. Gelegen ganz im Süden von Kenia, am Rande des Nationalparks Shimba Hills. Hier leben knapp sechshundert Menschen. 2020 wurde der Verein Elimu Bora gegründet, ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Oststeinbek. Zweck des Vereins ist die Unterstützung der Menschen in Kenia in den Bereichen Bildung und Gesundheitswesen. Der Name stammt aus der Landessprache Swahili und bedeutet „Gute Ausbildung“. Der nominierende Philipp Stendel schreibt: „Aus einem Urlaub und einem Zufallstreffen wurde für Herrn Butz eine lebenslange Mission. Durch seine Tatkraft wurde eine Schule gebaut, an der auch heute nach vielen Jahren Arbeit und Einsatz die Kinder eine gute Ausbildung erhalten können.“ Bemerkenswert finde ich, dass aus Oststeinbek auch das Engagement des Ehepaars Reiser für Schulkinder in Indien stammt und in Oststeinbek auch der Verein „Afghanistan Schulen“ seinen Ausgang nahm. Heute lernen wir eine weitere beeindruckende internationale Bildungsinitiative aus Oststeinbek kennen, vielen Dank!
Sechste Nominierung
Das Künstlerkollektiv hinter der Ausstellung „Perspektivwechsel“, ein multimediales Gemeinschaftsprojekt
Martina Rother schlägt das Künstlerkollektiv vor, das die Ausstellung „Perspektivwechsel“ anlässlich des 30. Jahrestages der rassistischen Brandanschläge in Mölln realisiert hat. Beteiligt waren Kunstschaffende der beiden Stormarner Künstlervereine „StormART“ und „seven art“, aber auch Künstler aus Hamburg und Niedersachsen. Frau Rother schreibt: „Bemerkenswert war diese Initiative für mich vor allem deshalb, weil sie Angehörige der von den Brandanschlägen betroffenen türkischen Familien bewusst in den Schaffensprozess einbezogen hat… Aus meiner Sicht hat das Projekt in starkem Maße dazu beigetragen, eine weitgehend institutionalisierte Gedenkkultur kritisch zu hinterfragen, den Opfern zuzuhören, sie, ihre Geschichten und Erfahrungen in den Fokus zu rücken.“
In der Nacht zum 23. November 1992 -Björn Engholm war noch Ministerpräsident- hatten zwei Neonazis in Mölln Brandsätze auf von türkischen Familien bewohnte Häuser geworfen. Die 51jährige Bahide Arslan sowie zwei ihrer Enkelinnen, die zehnjährige Yeliz Arslan und deren 14jährige Cousine Ayse Yilmaz wurden getötet. Der damals siebenjährige Ibrahim Arslan überlebte, weil seine Großmutter ihn in ein nasses Bettlaken gewickelt hatte. Gerade er forderte in den vergangenen Jahren ein „authentisches“ Gedenken, das die Betroffenen einbeziehe. Genau um diese Frage hatte es in Mölln wiederholt Diskussionen gegeben. Bisher wurde die Ausstellung „Perspektivwechsel“ hier im Schloss Reinbek und in der Gedenkstätte Ahrensbök gezeigt, in Mölln konnte man sich noch nicht auf geeignete Räumlichkeiten einigen. Das sollte aber eines Tages möglich sein, finde ich.
Kuratorium hat sich am 3. Februar getroffen, um über die Nominierungen zu beraten. Die
Geheimhaltung gat funktioniert. Die aktuellen Mitglieder des Kuratoriums sind Reinhard Mendel, langjähriger Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, Tobias von Pein, MdL a.D., Matthias Bohl, Propst (heute noch), Gisela Böhrk, Frauen- und Bildungsministerin a.D., Landrat Henning Goertz, Birgit Kassovic von der Walter-Jacobsen-Gesellschaft und ich.
Wie funktioniert nun die Beratung? Im Wesentlichen rufen wir uns die Kernsätze aus der Beschreibung des Olof-Palme-Friedenspreises in Erinnerung: Die SPD Stormarn verleiht den Olof-Palme-Friedenspreis seit 1987 an Vereine, Verbände und Menschen aus Stormarn, die sich besonders im Sinne Olof Palmes für ein friedliches Miteinander und ein menschenwürdiges Dasein für alle engagieren. Zum Gedenken an den schwedischen Ministerpräsidenten und sein Lebens- und Friedenswerk, an sein Bemühen, den Menschen ein Leben in demokratischer Freiheit zu verschaffen, an seinen Kampf gegen Unrecht, Unterdrückung und Rassismus, sein Eintreten für Frieden und Sicherheit durch Partnerschaft, für Abrüstung, gegen Atomwaffen und für die Verbesserung der Situation in Entwicklungsländern.
Dabei erfolgt die Entscheidung immer für die einen und nie gegen die anderen.
Alles sechs sind zu würdigen. Das habe ich versucht.
Zwei davon werden heute gewinnen, weil das Kuratorium entschieden hat, den Preis 2023 auf zwei Preisträger zu verteilen. Das Preisgeld beträgt jeweils 1000 Euro.
Die Gewinner des Olof-Palme-Friedenspreises 2023 sind
Der Verein Oldesloe Jugend Courage-Preis e.V.
Und Hans Joachim Butz mit dem Verein Elimu Bora.
Herzlichen Glückwunsch!