Wer eine Weiterbildungsstrategie unterkomplex anlegt, wird zu kurz springen


Lebenslanges Lernen – für manche eine Drohung, für andere eine Selbstverständlichkeit. Die Welt verändert sich, technische Innovationen verändern unser Leben im immer schnellerer Abfolge und die Schule kann zwar noch immer eine Grundlage für ein erfülltes Leben legen, ausgelernt hat man nach der Schulzeit aber nicht. Diese Entwicklung hat Folgen für die Menschen und muss auch Folgen für die Bildungslandschaft haben. Aber welche? Wie müssen sich Berufliche Schulen, Volkshochschulen, Universitäten und andere auf den Wandel einstellen? Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, hat sich bei der Landesregierung nach ihrer Strategie erkundigt und ist beunruhigt. Er sagt: „Auf der Basis einer Bedarfsanalyse passgenaue und bedarfsorientierte Lösungen für die Weiterbildungslandschaft in Schleswig-Holstein entwickeln – so stellte Bildungsministerin Karin Prien sich das im November 2020 vor. Allein: So eine Bedarfsanalyse gibt es bis heute nicht, und entwickelt wurde bislang auch nichts. Fachleute wünschen sich ein Weiterbildungsförderungsgesetz für Schleswig-Holstein. Dazu konnten sich CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag leider nicht durchringen.“

In Aussicht gestellt wurden im schwarz-grünen Koalitionsvertrag eine „umfassende Weiterbildungsstrategie“ und deren „gesetzliche Normierung“. Federführend ist das Wirtschaftsministerium. Habersaat: „Irgendwann 2024 soll dann eine Strategie vorliegen. Wir werden also noch lange warten müssen. Das ist ebenso bedauerlich wie der Umstand, dass das Wirtschaftsministerium die Weiterbildung in seinen Überlegungen auf berufliche Zusammenhänge reduziert.“ Der Reinbeker Abgeordnete würde das Feld gerne weiter stecken: „Da ist mehr. Grundbildung und Weiterbildung sind für die Persönlichkeitsentwicklung wichtig. Da ist die Demographie. Die Gesellschaft wird älter und Weiterbildung ist eine Möglichkeit, im Alter vernetzt und aktiv zu bleiben. Da ist die Digitalisierung. Viele Vorgänge sind nur noch oder bevorzugt digital zu erledigen, das geht schon bei der Terminvergabe für die Verlängerung des Personalausweises los. Wie schaffen wir es, alle auf diesem Weg mitzunehmen? Da ist die Migration. Menschen kommen nach Deutschland und wir brauchen sie dringend. Allerdings vor allem mit deutschen Sprachkenntnissen. Kann die deutsche Sprache überall und ohne große Hürden erlernt werden? Da ist der Klimawandel: Wo kann ich mich fortbilden, wenn ich mir über die Heizung der Zukunft Gedanken mache? Wer hilft mir, meinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern? Da sind die großen Aufgaben für die politische Bildung in Zeiten von Populismus und Querdenkertum.“

All diese Fragen vernachlässige die Landesregierung, wenn sie allein auf berufliche Verwertbarkeit von Bildung schaue. Wichtig ist Habersaat, auch die Volkshochschulen in diese Strategie einzubinden. Diese seien in der Fläche vertreten und können bei der Grundversorgung mit Weiterbildung helfen. Wer eine Weiterbildungsstrategie allerdings unterkomplex anlege, werde sicher zu kurz springen.

Material:

Kleine Anfrage 20/881

https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/drucks/00800/drucksache-20-00881.pdf