Schulpflicht, Absentismus und Kindeswohl standen im Mittelpunkt einer Anhörung des Bildungsausschusses in Kiel. Wann greifen Familiengerichte ein? Was können Schulen tun, um „Haltekräfte“ zu entwickeln? Um solche Themen ging es auf Wunsch der SPD im Gespräch mit zahlreichen Expertinnen und Experten. Anlass war der Fall einer Familie in Ostholstein, die ihr Kind jahrelang von der Schule ferngehalten hatte. Aktualität gewann das Thema aber auch durch die jüngst erfolgte Schließung einer Ersatzschule in Lübeck. Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek und Vorsitzender des Bildungsausschusses, ist das Recht auf Bildung besonders wichtig. Er ordnet ein: „Am 20. November 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. Deutschland ist einer von 196 Vertragsstaaten dieser Konvention, die seit 2010 auch als Bundesgesetz verbindliche Rechtslage ist. Artikel 28 der Konvention ist das Recht auf Bildung. Von diesem Recht müssen sämtliche Überlegungen zur Schulpflicht und zum Betrieb von Ersatzschulen ausgehen. Kinder haben ein Recht auf Bildung und eine Schule als Ort zum Wohlfühlen!“
Eine Kleine Anfrage der SPD im März 2023 hatte gezeigt: Es gibt über 2.300 angezeigte Fälle von Schulabsentismus in Schleswig-Holstein, die Dunkelziffer wird deutlich höher sein. Für Habersaat ist das ein alarmierendes Zeichen. „Mit der Schulpflicht soll das Recht auf Bildung eines jeden Kindes umgesetzt werden. Bleibt dieses Recht unerfüllt, hat das Konsequenzen für ein ganzes Leben. Es ist daher wichtig, genau hinzusehen, wo und warum die Schulpflicht nicht erfüllt wird.“ Grundsätzlich gelte: Kinder sollen verantwortungsvolle und sozial integrierte Menschen werden. Schule hat den Auftrag, einen Teil zu dieser Entwicklung beizutragen. Die Schulpflicht ist hierbei ein wichtiger Faktor. „Mein Fazit der Anhörung ist, dass die bestehende Rechtslage ausreicht, um Schulpflicht durchzusetzen und Absentismus zu verhindern. Das Problem liegt eher in den vorhandenen Ressourcen. Hinter dem leeren Stuhl in der Klasse kann es eine Vielzahl von Gründen geben. Wichtig ist, genau hinzusehen und schnell zu reagieren. Die Jugendämter zum Beispiel wünschen sich einen Ausbau der Kooperationen mit den Schulen. Ebenfalls ist wichtig, dass Absentismus auch im Orientierungsrahmen Schulsozialarbeit enthalten sein muss. Der Faktor Zeit ist außerdem entscheidend, weil Absentismus schnell chronisch wird. Jeder Schultag zählt.“
Erkennbar sei geworden, dass sich Schulen auch in ihrer „Haltekraft“ unterscheiden. Es gebe also auch für Schulen noch Möglichkeiten, sich auf diesem Feld zu entwickeln. Habersaat teilte die geäußerte Kritik des Kinderschutzbundes, dass im Absentismuskonzept nur Eltern und Kinder, nicht aber die Schulen in den Blick genommen werden. „Vor allem Grundschulen sind ein wichtiges Präventionsfeld, dem sich stärker gewidmet werden muss. Unsere Lehrkräfte brauchen Raum für Pädagogik und Zeit, sich dem einzelnen Kind zu widmen.“ Deshalb bleibe die SPD bei ihrer Forderung, Klassenlehrkräfte zu entlasten. Außerdem müssten Schulen als „Orte zum Wohlfühlen“ entwickelt werden. „Schülerinnen und Schüler wollen sich wohl- fühlen und sicher lernen können. Und wer sich nicht wohlfühlt, kann nicht gut lernen“, ist sich der studierte Gymnasiallehrer sicher.
Links:
Liste der Expertinnen und Experten
Kleine Anfrage 20/765
https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/drucks/00700/drucksache-20-00765.pdf
So berichtete das Schleswig-Holstein Magazin (ab Minute 16)