Vom Ankündigen ins Handeln kommen
Schleswig-Holstein stürzt beim IQB-Bildungstrend 2022 ab
Im Auftrag der Kultusministerkonferenz untersucht das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), inwieweit Schülerinnen und Schüler bestimmter Jahrgänge die vorgegebenen Bildungsstandards erreichen. Die jüngste Studie ergab: Bundesweit 32,5 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler erreichen im Fach Deutsch nicht den Mindeststandard im Lesen für den Mittleren Schulabschluss (MSA), 16 Prozent mehr als sieben Jahre zuvor. Das geht aus dem IQB-Bildungstrend 2022 zu den sprachlichen Kompetenzen hervor. Schleswig-Holstein hat sich im Fach Deutsch besonders stark verschlechtert, in Englisch bleibt das Land mit seinen Verbesserungen deutlich hinter denen anderer Länder zurück. Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek und bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, führt das auf Schwächen im Ganztag und beim Übergang von der Kita in die Grundschule zurück.
Habersaat: „Wieder einmal stehen wir vor einem ernüchternden Ergebnis und wieder einmal kündigt die Bildungsministerin an, die frühkindliche Bildung stärker voranzubringen. Dieselbe frühkindliche Bildung, für die gar nicht sie, sondern die Sozialministerin zuständig ist.“ Das Muster sei nicht neu. Jetzt würden „verpflichtende Instrumente“ angekündigt, und von Ankündigung zu Ankündigung gehe ein neuer Jahrgang an den konkreten Maßnahmen vorbei. Karin Prien ließ sich bereits 2019 so zitieren: „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir mit der Einführung einer Viereinhalbjährigen-Untersuchung den Sprachstand, aber auch die motorische Entwicklung der Kinder erfassen, um dann noch gezielter fördern zu können.“ Habersaat: „Das ist vier Jahre her! Im November 2022 berichteten Sozialministerin und Bildungsministerin gemeinsam im Bildungsausschuss und verkündeten, Verbesserungen beim Übergang von der Kita in die Grundschule hätten für sie ‚Priorität‘. Mehr ist allerdings noch nicht passiert. Und darunter leiden müssen vor allem Kinder aus bildungsferneren Haushalten.“
In Deutsch ging es so steil bergab wie in keinem anderen Bundesland. Da tauge Corona nicht als Erklärung. Habersaat: „Die Pandemie hat bekanntlich in der gesamten Republik stattgefunden.“ In der IQB-Studie entdeckt er aber noch andere Hinweise auf mögliche Gründe: Vollgebundene Ganztagsschulen haben in Deutschland einen Anteil von 19,2 Prozent, Schleswig-Holstein liegt mit 1,8 Prozent weit abgeschlagen auf dem letzten Platz. Bei teilgebundenen Formen (D: 16,6 Prozent, SH: 7 Prozent) sieht es kaum besser aus. Zum Vergleich: In Hamburg sind es 23,1 und 17,9 Prozent. Das Recht auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule, zu dessen Umsetzung hier von der Landesregierung mehr Fragen als Antworten bekommen, ist in Hamburg längst Realität.
Habersaat: „Jetzt müssen wir vom Ankündigen ins Handeln kommen. Die Ministerinnen Touré und Prien müssen den Übergang von der Kita in die Grundschule verbessern, das Screening von Viereinhalbjährigen mit individueller Förderung nach Bedarf flächendeckend umsetzen (Was wir nicht brauchen, wäre mal wieder ein Test-Projekt über drei Jahre an fünf Schulen!) und den ab 2026 einsetzenden Ganztagsanspruch in der Grundschule so umsetzen, dass er das Recht der Kinder auf Bildung erfüllt und nicht nur das Recht der Eltern auf Betreuung!“
Material:
IQB 2022
https://www.iqb.hu-berlin.de/bt/BT2022/Bericht
(Verschlechterungen in Deutsch S.439, Ganztagsquoten S.39)
Landtagsdebatte im Juli 2019: